Ein Elektriker, der die Sicherung nicht herausgedreht hat, erleidet einen Stromschlag. Kinder, die durch ein Loch im Bauzaun klettern, verletzen sich beim Spielen auf der Baustelle. Es gibt viele Möglichkeiten wie es beim Hausbau zu Unfällen und Schäden kommen kann. Doch wer haftet dafür?
Ist es immer der Bauherr, der im Rahmen der gesetzlichen Verkehrssicherungspflicht für ausreichende Sicherheit auf der Baustelle sorgen muss?
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Verkehrssicherung an Baustellen: Wer haftet bei Unfällen?
Die sogenannte Verkehrssicherungspflicht oder Verkehrspflicht besagt, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft oder über einen längeren Zeitraum unterhält, die Pflicht hat alle nötigen Vorkehrungen zu treffen, um Schäden anderer zu verhindern. Dies gilt nicht nur im Baurecht, sondern ist eine allgemeine Verpflichtung.
Eine Baustelle birgt viele Gefahren für Dritte, die diese befugt oder unbefugt betreten. Der Bauherr ist der Urheber der Baustelle und somit auch der Gefahrenquelle. Deswegen liegt es in seiner Verantwortung der Verkehrssicherungspflicht nachzukommen.
Selbst wenn der Bauherr nur eine geringe Schuld trägt und die Hauptschuld beispielsweise dem Hausanbieter zuzurechnen ist, kann der Geschädigte jeden Verantwortlichen in voller Höhe der Schadenssumme belangen. Das bedeutet, dass auch der Bauherr vollständigen Schadensersatz leisten muss.Verletzung der Verkehrssicherungspflicht – Mögliche Rechtsfolgen
Wurden notwendige Sicherungsmaßnahmen nicht ergriffen und die Baustelle nicht ausreichend nach außen hin abgesichert, können Geschädigte zivilrechtlich Schadensersatzansprüche geltend machen (§ 823 Abs. 1 BGB). Gerade bei Personenschäden kann es schnell um eine Summe von mehreren hunderttausend Euro für die Behandlung und eine mögliche Invalidenrente gehen.
Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 1 BGB
Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Verantwortung kann auf Bauunternehmen übertragen werden
Sobald ein Hausbauer die durchzuführenden Arbeiten einem sachkundigen und zuverlässigen Bauunternehmen, Architekt oder Handwerker übergibt, tritt er auch seine primäre Pflicht zur Verkehrssicherung ab. Denn das beauftragte Unternehmen ist aufgrund seiner größeren Fachkenntnis eher dazu befähigt nötige Sicherungsmaßnahmen zu erkennen und zu realisieren.
Aber Achtung, auch nachdem man die Überwachung der Verkehrssicherung delegiert hat, ist man als Bauherr nicht vollständig von seiner Sorgfaltspflicht befreit.
Fallbeispiel: Handwerker sind für ihre eigene Sicherheit verantwortlich
Ein Elektriker stürzte vom Dach als er auf transparente Lichtfelder trat, die durchbrachen. Seiner Ansicht nach hätte der Bauherr ihn darauf hinweisen müssen und verlangte eine Schmerzensgeld von 27.000 €. Das OLG Hamm wehrte die Anklage ab, da der Elektriker als Fachmann mit den typischen Gefahren dieser Arbeit vertraut sein müsste.
Urteil des OLG Hamm am 21.02.2014 (Aktenzeichen 11 W 15/14)
Sorgfaltspflicht des Bauherren bleibt bestehen
Selbst wenn der Bauherr ein Unternehmen mit der Durchführung der Bauarbeiten oder einen Bausachverständigen mit der Überwachung betraut, gibt er seine Verantwortung nicht vollständig ab. Hat er nämlich Hinweise darauf, dass das Unternehmen die Sicherheit auf der Baustelle vernachlässigt, ist er zum Eingreifen verpflichtet.
Diese Pflicht gilt insbesondere, wenn:
- eine Gefahrenquelle auch für den Laien ersichtlich ist
- Zweifel an der Zuverlässigkeit und Seriosität des Unternehmens bestehen
- Gefahren bestehen, die durch Anweisungen seitens des Bauherren beseitigt werden können
Fallbeispiel: Delegation schützt vor Strafe nicht
Ein Bauherr beauftragte eine Spezialfirma, um Arbeiten verrichten zu lassen. Entgegen der Anfangszusage, dass das Unternehmen Sicherungsgeräte (z.B. Auffangnetze) zur Verfügung stelle, erschienen nur einige mit Laufdielen ausgerüstete Leiharbeiter. Obwohl der Kunde sich nach den fehlenden Sicherungen erkundigte, erklärte er sich damit einverstanden die Arbeiten so durchführen zu lassen. Dabei stürzte ein Arbeiter und verstarb.In einem Revisionsverfahren entschied das OLG Stuttgart, dass die Sicherheitsmängel so offensichtlich waren, dass eine Verurteilung des Bauherrn wegen fahrlässiger Tötung zulässig sei.
Urteil des OLG Stuttgart vom 05.04.2005 (Aktenzeichen 5 Ss 12/05)
Finanzielle Folgen mit Versicherungen abmildern
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit sich entsprechend zu versichern, um finanzielle Folgen durch Unfälle auf der Baustelle abzumildern. Dazu dient beispielsweise die Bauherrenhaftpflichtversicherung. Dabei sollte man darauf achten, dass die Deckungssumme hoch genug ist. Hat man private Helfer auf der Baustelle, darf auch nicht die Bauhelferversicherung vergessen werden. Sie ist zwar nicht so günstig zu haben, zahlt sich im Schadensfalle aber sicherlich aus.
Der Tipp vom Hausbau-Profi: Vergessen Sie nicht bereits bei der Finanzierung die Baunebenkosten für die Versicherung einzuplanen. Unser Baunebenkostenrechner hilft Ihnen dabei den Überblick zu behalten.
Unfälle auf der Baustelle vermeiden
Wie kann man sich als Bauherr vor Schadensersatzansprüchen schützen? Zuallererst einmal, indem man Unfälle unter Aufbietung größter Sorgfalt vermeidet. Auch wenn ein Fachmann am Werk ist, sollte man als Bauherr nicht versäumen, selbst einen Blick auf die Baustelle und die getroffenen Sicherungsmaßnahmen zu werfen.
Der Verband Privater Bauherren e.V. empfiehlt sich beim Bauen und Sanieren die folgenden drei Schwerpunkte stets genau anzusehen:
- die allgemeine Baustellensicherung (u.a. Sicherung von Gräben und Fundamenten, von auf dem Grundstück lagernden Materialien, Aushub, Bauschutt und Arbeitsgeräten)
- die Sicherung bei Gerüstarbeiten an Dach und Fassaden und bei der Montage von Solarmodulen
- die Sicherung von Deckendurchbrüchen, Aufzugsschächten und Treppenaugen, durch Abdeckung oder Bautreppengeländer